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Interview von Andreas Schirmer mit Willi Kothny in fechtsport, November 1999 Bei der EM in Bozen war der Sieg von Wiradech Kothny im Säbel-Einzel die große Überraschung. Ein weiteres Mal wird der 17-jährige Koblenzer die internationale Konkurrenz nicht so kalt erwischen können und bei der WM in Seoul auf der Hut sein. Ich kann jeden auf der Welt schlagen, sagt Kothny dennoch in einem Interview mit fechtsport.
fechtsport: Hat sich bei Ihnen neues Lebensgefühl nach dem über-
Kothny: Neues Lebensgefühl nein. Aber etwas anderes ist neu: Ich
fechtsport: Wie schätzen Sie ihre Leistungsstärke ein, was sind Ihre Stärken und Schwächen, wie kön-
Kothny: Wenn ich gut drauf bin, kann ich jeden in der Welt schlagen - nur leider bin ich nicht immer gut drauf. Meine Stärke ist die Spontanität. Da weiß ich manchmal selbst nicht, was ich tue. Um so ver- Und zu meinen Schwächen: Ich zweifle oft an mir selbst, traue mir realistisch keinen Sieg über einen Stärkeren zu. Das ist ein Fehler, ich weiß und ich glaube, daran muß ich arbeiten. fechtsport: Bei der WM in Seoul werden Sie kein Unbekannter mehr sein. Dadurch wird es sicherlich ein schwerer Weg, in die Nähe der Medaillen zu kommen ?
Kothny: Da ich weiß, daß ich nur ein Überraschungs- Der Sprung ins Finale wäre eine Sensation für mich, ein Medaillengewinn ein Wunder. Und der Gedanke fechtsport: Im Säbelfechten gibt es einen Generationswechsel. Ist dies eine Chance, daß Deutschland in der Weltspitze eine führende Rolle übernehmen könnte ?
Kothny: Ja. Wir Jungen sind heiß. Die alte Garde brennt nicht mehr. Ich glaube, wir können mit un- fechtsport: Was für Pläne haben Sie - auch mit Blick auf die Olympischen Spiele 2000 in Sydney ?
Kothny: Mein Ziel ist klar: Olympia 2000. Dafür habe ich mich von der Schule ein Jahr beurlauben lassen. Abi und Olympia geht bei mir nicht gleichzeitig. Ich mache Zivildienst beim Leistungsbe- Der Mungo vom River Kwai Bericht von Oskar Beck in Welt am Sonntag, 31.10.1999 Der Ruf kommt kurz und zackig. Wie von einem Dompteur, der im Raubtierkäfig zur Attacke gegen sich selbst bläst: Angriff, volle Pulle - los, Mungo !
Und die Wildkatze springt. Sie schnellt fast drei Meter weit durch die Luft und schlägt zu - das alles geschieht so ruckzuck, dass der Domp-
Wiradech (Mungo) Kothny, 20, zupft sich nach seinem Angriff, das rote T-Shirt mit dem Aufdruck Thailand wieder zurecht und grinst. Ja, seine Schnelligkeit kann er nicht verleugnen. Dieses wieselflinke Zu-
Mein Raubtier, lacht Mehl. Aber wir sind nicht im Zoo. Wir sind im Fechtkeller des Max-von-Laue- Konzentrier dich !, ruft der Trainer, und Kothny stülpt sich die Maske über. Schnelligkeitsserien stehen im Stundenplan, zur Schärfung der Explosivität. Drei, vier Wiederholungen. Pause. Eberhard Mehl, 65, sagt: Diese Reflexe - unheimlich.
Der kleine Wiradech bekam sie mit der Muttermilch. In Kanchanburi, am River Kwai. In Thailand lebte er, bis er drei war und seine Mutter Lalad den Bundeswehrmajor Erik Kothny heiratete. Der ist inzwischen TV-Journalist beim Südwestrundfunk und Chef des Koblenzer Fecht- Wiradech war meiner deutschen Oma zu kompliziertt sagt der Junge, seither bin ich Willi. Wo Ein Willi ist, ist auch ein Weg - der, den Mehl mit ihm geht, ist ein besonderer. Der wissensdurstige Trainer (Seit Jahren stehe ich in Kontakt zu führenden Sportwissenschaftlern) unterrichtet nicht mehr nach dem klassischen Fechtstil, sondern hat sich den Stärken seines Sportlers angepasst - gezielt fördert er dessen individuellen Kampstil. Mehl, der 1960 in Rom Olymbiabronze gewann: Nach zwei Stunden Training bin ich platt. Aber auch sein Raubtier muss sich zwischen den Serien ausruhen. Die Waffengattung Säbel - kein Wattepusten. Im Sommer hat Wiradech sich eine Woche Totalurlaub genehmigt, auf einer Insel in Thailand. Die Seele baumeln lassen, in den Tag reinleben - ich hab's mal gebraucht.
Den Rest der Sommerferien hat er dann wieder im Kraftraum verbracht, und überhaupt sind die täglichen Strapazen beachtlich. Morgens Lauftraining, nachmittags Fechten, zwischendurch Zivildienst - notge- Jedes Jahr wollte Willi aufhören, verrät Mehl. Wie es halt so ist. Man hat als junger Bursche auch andere Sachen im Kopf. Seine Siege haben ihn dem Sport gerettet. Fünf Mal Jugendmeister. Zwei Mal Junioren-Weltmeister. Der Erfolg, sagt er, gibt dir den nötigen Kick.
Europameister, das war's vollends, im Frühjahr, in Bozen. Kothny, die Nummer 34 der Weltrangliste, kam, sah und säbelte alle weg. Im Finale sogar Luigi Tarantino, den Weltmeister und Olympia-
Ab in den Kraftraum, verkündet Mehl nach zehn Säbelserien, und in der Fitnesskammer unterwirft sich Kothny noch ein paar Folterinstrumenten, die seine Muskelfasern ansprechen. Nach zwei Stunden Trai-
Dann lassen wir's, sagt Mehl. Sein WM-Kämpfer packt seine Säbel und Siebensachen zusammen. Was gönnt man sich nach so einem Training ? Faulenzen, sagt Willi, der Mungo - für große Sprünge ist das Raubtier an diesem Abend zu müde. |
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