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Enormer Zugzwang nach rosigen Zeiten
Fecht-WM: Es geht nicht nur um den Ruf, sondern auch um Olympia 2000

Bericht von Dirk Kurz in der Rhein-Zeitung, 02.11.1999

Auf Deutschlands Fechter warten die schwersten Duelle bei Welt-
meisterschaften. Bei den heute in Seoul beginnenden Titelkämpfen
in den sechs Waffen geht es nicht nur um Medaillen, sondern um
die viel wichtigere Qualifikation für die Olympischen Spiele 2000
in Sydney.

Wenn Matthias Behr dieser Tage im Olympic Park Hotel in Seoul zum Früh-
stücken geht, dann wird der stellvertretende Delegationsleiter des Deutschen Fechter-Bundes (DFeB) allmorgendlich an seine eigene sportliche Karriere erinnert.

Fein säuberlich sind im dritten Stock der Nobelherberge die mit Gold, Silber und Bronze dekorierten Olympioniken der Sommerspiele von 1988 aufgelistet, darunter auch jene acht Medaillen, die deutsche Athleten seinerzeit einsammelten. „Natürlich denke ich gerne daran zurück. Es waren meine letzten Olympischen Spiele, und sie bescherten mir einen wunder-
baren Abschluß”, sagt Behr, der damals Silber mit der Mannschaft gewann.

Derart rosige Zeiten, in denen die deutschen Fechter das Geschehen auf der Planche fast nach Be-
lieben dominierten, scheinen allerdings vorbei. Bei der WM 1998 in La Chaux-de-Fonds holte der
DFeB gerade mal zwei Medaillen. „Es war schon eine große Enttäuschung. Vor allem, weil wir mit keinem Team in der Runde der letzten vier waren”, erinnert sich Behr. Zum ersten Mal seit 1978
musste der Deutsche Fechter-Bund die Heimreise aus der Schweiz ohne Mannschaftsmedaille antreten.

Und so stehen die Fechter bei den Weltmeisterschaften, die an diesem Dienstag in Seoul beginnen, unter enormen Zugzwang. Nicht nur, weil „wir etwas für den Medaillenspiegel tun müssen”, wie Mat-
thias Behr sagt, der nach dem „freiwilligen Rückzug” von Cheftrainer Emil Beck erstmals als Mann-
schaftsleiter fungiert. Es geht in Südkorea vor allem um die Qualifikation für Olympia 2000 in Sydney. Um in Australien dabei sein zu dürfen, müssen die Teams der fünf Frauen- und Männerdisziplinen (Frauensäbel ist noch nicht olympisch) mindestens Platz acht erreichen. „Das ist das absolute Mini-
malziel”, sagt Behr. Schließlich hängt von den Platzierungen auch die sämtlichen Förderung ab. Pro Disziplin, die in Sydney fehlt, müsste der Fechter-Bund run 20 Prozent Kürzungen hinnehmen.

Nun haben die Verantwortlichen des DFeB vor dieser „richtungsweisenden WM” (Behr) wahrscheinlich keinen Anlass, die Zukunft rabenschwarz zu malen. In Sabine Bau (Tauberbischofsheim) und Monika Weber (Bonn) stehen im Frauenflorett immerhin die Titelverteidigerin und die EM-Zweite auf der Planche, im Degen in Imke Duplitzer (Heidenheim) die Europameisterin sowie neben Olympiasieger Arnd Schmitt (Leverkusen) in Marc-Konstantin Steifensand (Heidenheim) der Weltranglisten-Erste.

Komplettiert wird die Reihe derer, denen in Seoul Medaillenplätze zugetraut werden, durch Säbel-
Europameister Willi Kothny von der CTG-Königsbacher Koblenz.

Und so kann Fechterbund-Präsidentin Erika Dienstl („Das Wichtigste ist die Qualifikation für Olympia”) ihre eigentliche Erwartungshaltung nur schwer verhehlen: „Wir wollen in Seoul wieder eine der erfolg-
reichsten Nationen werden.”


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